Lange Wege

Linksbüchneriade 11

In der letztjährigen Büchner-Jubiläumsausstellung gab es eine kleine Animation zu sehen, auf der sich die Wege verfolgen liessen, die die oberhessischen Verschwörer um Friedrich Ludwig Weidig und Georg Büchner 1834 zur Verteilung des Hessischen Landboten unternommen hatten, und um sich gegenseitig zu warnen, als ein Packen Flugschriften abgefangen worden war. Es waren lange Wege, und sie wurden überwiegend zu Fuss zurückgelegt.

Mittlerweile haben wir das Internet. Aber das ist ja nicht mehr so sicher, wie es nie war. Vielleicht sollten wir wieder auf die alten, bewährten Kommunikationsmittel setzen. Einige haben das schon immer getan und sich dem Internet verweigert. Etwa J. T.  Er ist Literaturwissenschaftler, und ich habe ihn vor etlicher Zeit über die Musil-Forschung kennen gelernt, dann aus den Augen verloren, bis sich der Kontakt vor etwa sechs Jahren wieder hergestellt hat. Jetzt  tauschen wir alle Jahre, gelegentlich auch halbjährlich, einen längeren Brief aus, über Musil, klassische Musik (nicht gerade meine Stärke), Literatur, Politik, Deutschland, die Schweiz, die Welt, Gott (eher selten, da nicht gerade die Stärke beider). Letzthin hat er seinen Brief mit einer Büchner-Marke frankiert, der ersten, die die Bundesrepublik Büchner je gewidmet hat, und die Deutsche Post hat sinnigerweise den Steckbrief drauf gesetzt, mit dem der Verschwörer Büchner 1835 polizeilich gesucht wurde. Indem eine Marke, die ja einen Brief beflügelt, mit einem Steckbrief illustriert ist, verweist sie selbstreferenziell auf die Kontinuität der Kommunikationsmittel. Oder will uns die, privaisierte, Post zu verstehen geben, dass Büchner immer noch halbwegs subversiv ist, was aus linksbüchnerianischer Sicht dem Stichwort von der repressiven Toleranz einen neuen – dialektischen? – Dreh geben würde?

Markenbild

 

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