Dies ist ein Putsch

«Spätestens jetzt kann jeder wissen, was Klassenkampf ist: immer zuerst der Klassenkampf von oben, der Klassenkampf der Privilegierten, zäh entschlossen zu jeder Brutalität, zu jedem Rechtsbruch, zu jedem Massaker, auch zur Abschaffung der Demokratie, wenn sie nicht mehr zur Sicherung der Klassenherrschaft taugt. Klassenkampf wird nicht begonnen von irgendwelchen böswilligen Rädelsführern, nicht von den Sozialisten, er ist von oben her ständig im Gange, mit den verschiedensten Methoden, unblutigen und, wenn es sein muss, blutigen.»

Ein blutiges Massaker hat es in Griechenland, immerhin, noch nicht gegeben. Das Zitat bezieht sich auch nicht auf Griechenland, sondern auf Chile. So begann Helmut Gollwitzer nach dem Putsch von General Pinochet am 11. September 1973 gegen die rechtmässige Regierung Allende eine Rede in Berlin, die dann in der Zeitschrift «Das Argument» abgedruckt wurde. Gollwitzer war ein religiöser Sozialist oder sozialistischer Theologe, und mit Chile wurde die christliche Sanftmütigkeit endgültig zum Zorn. 1973 war für eine Politgeneration ein Fanal, dem Gollwitzer Ausdruck verlieh: Die herrschende Klasse wollte kein sozialistisches Experiment zulassen.

2015 haben wir einen neuen Putsch erlebt, mitten in Europa. Er ist noch nicht blutig, aber auf seine Weise ebenso schockierend. Selten ist Machtpolitik so offen demonstriert worden: Wer sich gegen die neoliberale Rosskur auflehnt, und sich gar noch als sozialistisch deklariert, muss weg. Ebenso augenöffnend sind die eingesetzten ökonomischen Mittel. Geldhahn zu: Demokratie weg. Man wird sich künftig auch an diese Erfahrung erinnern müssen.

 

Siehe zur Kommentierung der aktuellen Entwicklungen in und um Griechenland den Blog von Mascha Madörin unter http://www.theoriekritik.ch/?cat=353.

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