Linksbüchneriade (2)

Zum Jahresabschluss feierte die führende Zeitung auf dem Platz Zürich ihren Herbstknaller angemessen im Cabaret Voltaire, das ja an jener Gasse liegt, in der sich einst Kultur- und Weltgeschichtliches in historischer Gleichzeitigkeit getroffen hatte, was Peter Weiss und Tom Stoppard fiktional dokumentarisch beschrieben haben, und deren historische Aura noch achtzig Jahre weiter zurück bis zu Georg Büchners Exil reicht; doch während die Tafel an der Spiegelgasse 14, die auf Lenins Aufenthalt in Zürich hinweist, durch eine schön nostalgische Bogenlampe hell beleuchtet ist, liegt diejenige am Haus nebenan mit dem Verweis auf den Aufenthalt von Büchner und ebendessen Tod an der Spiegelgasse 12 kaum entzifferbar in Düsternis. Man könnte das als sträfliche Missachtung kulturellen Erbes bezeichnen, aber linksbüchnerianisch liesse sich auch argumentieren, dass der längst mumifizierte Lenin sogar mit einer Leninbüste im Schaufenster des Geschenkartikelladens unterhalb der Tafel kommodifiziert werden kann, während Büchner subkutan, radikal, subversiv, sich solcher Vereinnahmung und dem Huhn im Topf verweigert, das den gallischen Hahn verenden lässt.

Stefan Howald

Dieser Beitrag wurde unter Linksbüchneriade veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.