Vom Mond

Pere Ubu in London

Der «Borderline» in London gehört zu jenen Clubs, bei denen man sich jedes Mal fragt, warum man sich das antut. Tief in einem Keller in Soho vergraben, schummeriges Licht, biergeschwängerte Luft, tief herunterhängende Decke, Stehplatz für zweihundert, ein paar auch hinter zwei grossen Säulen, und dann schlägt einem das ohrenbetäubende Spektakel aus nächster Distanz auf den Magen und in die Ohren.

Aber das Programm ist gut, und David Thomas mit Pere Ubu beginnt hier eine Europatournee, die ihn heute Dienstag auch in die Rote Fabrik in Zürich führt. Die Jahre sind nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Er kommt auf einen schweren Stock gestützt auf die Bühne, sitzt während des ganzen Konzerts schwergewichtig und schwer auf einem Sessel und nimmt gelegentlich einen Schluck aus einer Glasbouteille, die Rotwein oder auch Holundersirup enthalten könnte.

PereUbu2018

Das achtköpfige Ensemble beginnt mit einem stampfenden Blues, in den sich die Stimme ihres Bandleaders allmählich einklinkt, und dann noch einem Blues. Das ist hübsch, aber deswegen ist man ja nicht zu Pere Ubu gekommen. Mit «Carnival» sind wir dann bei der Sache: «The monkey is loose in my head», singt David Thomas, oder er spricht es und sing es und schreit es, Gefühle und Geschichten rankt er um die Tonkulissen, und die Aggregatszustände gehen ineinander über, so wie die einzelnen Stücke. Das ganze Konzert ist ein fortlaufendes Gespräch; einmal ermahnt er ungeduldig seine Band, die kurz pausiert, gleich weiterzumachen. Dazwischen ein paar Worte mit dem Publikum, über die Zumutung, ein gefälliger Mensch zu sein, wie es gerade seine Mutter in einem Telefonanruf aus Philadelphia gefordert habe.

Pere Ubu baut an diesem Abend auf überraschend klassischen Rockrhythmen auf, mit allerlei elektronischen Geräuschen und einer Klarinette angereichert, gebrochen, verwoben, zu einem neuen Klangteppich. Die Zugabe ist dann ein fetziger alternativer Rock, wo sich die drei Gitarristen um das schrillste Riff duellieren. David Thomas hält das in seiner ebenso schroff widerborstigen wie skurril abseitigen Art zusammen. «I live on the moon», singt er in einem Lied, und man ist froh, dass er gelegentlich vom Mond zu uns gewöhnlichen Sterblichen hinuntersteigt.

Stefan Howald

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