Bemerkenswert, bewunderungswürdig

Zum zwanzigsten Geburtstag der edition 8

Meine Rolle als Präsident der Genossenschaft edition 8 fülle ich ziemlich nachlässig aus. Auf die Schnelle hätte ich nicht einmal sagen können, seit wann ich dieses ehrenvolle Amt ausübe, sondern musste in den Protokollen nachschlagen, wann die Wahl stattfand – es war 2016. Auch hat ein Kollege bei Gelegenheit etwas süffisant darauf hingewiesen, dass ich auf der Website des Verlags in einem ovalen Bilderrahmen wie eine leicht angegraute Ikone über dem Team schwebe, was ich geflissentlich vergessen hatte.

Immerhin, ich gehe an die Generalversammlungen der Genossenschaft, die jeweils in überschaubarem Rahmen stattfinden, und lese die Verlagsprotokolle, die zumeist am nächsten Tag nach der Teamsitzung eintreffen und schneller geschrieben sind als ich sie lesen kann. Was da alles drinsteht. Diese Dutzenden von Projekten und Büchern, die jeweils behandelt und jongliert werden! Bemerkenswert, bewunderungswürdig.

Die Zusammenarbeit mit dem Verlag dauert allerdings schon länger. Insgesamt bin ich mittlerweile an neun Büchern beteiligt gewesen, als Übersetzer, als Mitautor, Herausgeber oder Lektor. Ja, wie beim Geburtstagsfest, das am vergangenen Freitag stattfand, erinnert wurde, gehörte eines dieser Bücher 1999 zum ersten eigenen Programm der edition 8, nämlich die Übersetzung einer Biografie über Noam Chomsky.

Was mich 1999 sogleich für den Verlag eingenommen hat, war das Lesebändchen, mit dem die Bücher ausgestattet waren. Darin zeigte sich für mich die Liebe zum Buch und die Sorgfalt fürs Detail. Auch die weiteren Erfahrungen waren durchweg positiv. Geris sorgfältige Lektoratsarbeit, Heinz, der die Geduld selbst dann kaum verlor, wenn eine Autorin, die ich betreute, unbedingt noch da einen Abschnitt und dort einen Satz anfügen wollte, obwohl das Manuskript schon längst in die Druckerei hätte sollen.

Die schöne ursprüngliche Ausstattung von Eugen Bisig mit der Unterschrift auf dem Buchumschlag hat übrigens anfänglich zu einem Missverständnis geführt. Als ich Noam Chomsky um seine Unterschrift anfragte, schrieb er etwas unwirsch zurück, er unterschreibe keine Belobigungen für irgendwelche Bücher, schon gar nicht für eine Biografie über sich, und ich musste ihn dann davon überzeugen, dass wir seine handschriftliche Signatur nur zur Verzierung brauchten und sie auch nicht für irgendwelche Scheckfälschungen verwenden würden.

Gemeinsam haben wir uns sogar mal in die Grauzone der Verlagstätigkeit begeben. Ein schottischer Autor, von dem die edition 8 in einer Übersetzung ein tolles Buch veröffentlicht hatte, war ein paar Jahre später unter merkwürdigen, traurigen Umständen gestorben, da er, wie selbst sein Sohn schmerzlich feststellen musste, in den letzten Lebensjahren von seiner Witwe von allen andern Menschen abgeschirmt worden war. Anfragen bei dieser wegen des Copyrights für eine zweite Übersetzung blieben unbeantwortet, so dass wir das Buch ohne Bewilligung veröffentlichten. Worauf ein Jahr später ein Protestbrief der Witwe eintraf, den wir souverän ignorierten. Immerhin hatte Heinz zuvor ein spezielles Konto für die möglichen Tantiemen aus dem Buchverkauf angelegt, und ich glaube, eine bestimmte Geldsumme ist noch immer auf diesem Sperrkonto deponiert.

Die edition 8 macht gelegentlich auch vergnügliche Schnitzer, etwa wenn es auf der Website heisst, ich hätte ein Buch zusammen mit Bettina Dyttfurt herausgegeben, was eine renommierte deutsche Politikerin mit einer renommierten Schweizer Journalistin verkoppelt.

Foto: Christian Altorfer

Bei der Geburtstagsfeier am letzten Freitag zu zwanzig Jahren edition 8 sind ein paar Höhepunkte aus der Verlagsgeschichte präsentiert worden und ein paar Geburtstagsgrüsse aus der Lyrik- und Musikabteilung, von Hans Gysi, Brigitte Fuchs, Erwin Messmer, Roland Merk und Joanna Lisiak, unterlegt von Andreas Stahel mit Flöten und Obertonstimme. Dazu trug Eugen Bisig verrätselte Videos bei. Das alles zeigte Weite und Vielfalt der Produktion und war zugleich ein schönes Lob für das jetzige Team, das aus Geri Balsiger, Jeannine Horni, Heinz Scheidegger, Katja Schurter, Marianne Sliman, Verena Stettler und Brigitte Walz-Richter besteht.

Rund 270 Titel figurieren mittlerweile im Programm der edition 8, davon 190 Eigenproduktionen, zumeist zehn pro Jahr, etwa hälftig Belletristik und Sachbücher. Wie viel Arbeit da drin steckt. Das Bedürfnis, sich in einem Buch zu veräussern, ist ja trotz allen Krisen des Verlagsgeschäfts ungebrochen, und entsprechend viele Anfragen treffen an der Quellenstrasse ein. Wie schafft es, frage ich mich manchmal, das Team nur, all diese eingesandten und angeforderten Manuskripte zu lesen, zu diskutieren, zu bewerten, dann zu lektorieren, zu layouten, zu bewerben, und dies grossmehrheitlich gratis?

Die VerlegerInnen tun das unverdrossen, auch wenn es zumeist nicht zu einem Bestseller reicht. Wenn die Auflagen nicht gar so gross sind und die Besprechungen in den grossen Massenmedien zuweilen ausbleiben. Unermüdlich werden Texte – Prosa, Gedichte und Sachbücher – angeboten und allen Interessierten zur Verfügung gestellt.

Es muss die unerschütterliche Liebe zum Wort und zum Buch sein.

Herzlichen Dank dafür, und auf die nächsten zwanzig Jahre.

Stefan Howald

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