bücherraum f: das Jahr 2019

21 öffentliche Veranstaltungen: So viele Abende hat der bücherraum f im Jahr 2019 organisiert, dazu kamen 5 weitere Aktionen, an denen wir beteiligt waren.

Das Spektrum reichte von der Philosophie über die Kultur bis zur Politik. Insgesamt nahmen rund 500 Besuchende an diesen Veranstaltungen teil, wobei wir mittlerweile auf einige treue StammbesucherInnen zählen dürfen.

Das Programm lässt sich grob in drei Stränge einteilen: Da ist erstens die beliebte Rubrik «ausgelesen». Zweitens klassische Lesungen zumeist zu literarischen Büchern. Drittens Vorträge und Diskussionen eher zu politischen Themen.

D en Auftakt in der Reihe «ausgelesen» machte Melinda Nadj Abonji. Sie sprach zuerst über die Bedeutung, die Literatur für sie selbst hat, und stellte dann eine Auswahl engagierter literarischer und politischer Bücher vor, wobei sie insbesondere auf Rosa Luxemburg hinwies, zu der gegenwärtig verschiedene Initiativen laufen, eine Strasse oder einen Platz in Zürich nach ihr zu benennen. Nadj Abonji nahm später im bücherraum f nochmals an einer geschlossenen Veranstaltung mit der Luise-Büchner-Gesellschaft aus Darmstadt teil.

Stefan Howald führte die Gesellschaft zudem auf den Spuren von Luise Büchner durch Zürich und später andere Interessierte auf den Spuren ihres Bruders Georg Büchner durch Oerlikon. Zu dieser Gelegenheit gab es im bücherraum eine kleine Ausstellung des Fotografen Florian Bachmann mit Bildern eines durch ein modernes Zürich flanierenden Büchner.

Jeannette Fischer stellte ihr «ausgelesen» unter das Motto Künstlerinnen und ihre Mütter, mit teilweise provokativen Thesen, die lebhafte Diskussionen auslösten. Ueli Mäder referierte eloquent über 68 und die Folgen, bis in die Gegenwart, mit Hinweisen auf den unermüdlichen Jean Ziegler und Bini Adamczak. Jo Lang präsentierte anhand einiger einschlägiger Bücher den Weg in der Schweiz zum Frauenstimmrecht, den er in der prägnanten These zusammenfasste, dass dessen Akzeptanz möglich geworden sei, nachdem das traditionelle Armee- und damit Männerbild sich zu zersetzen begonnen habe. Peter Schneider zeigte, mit lebensgeschichtlichen Anekdoten unterlegt, die Debatten über Folgen und Grenzen der modernen Welterschliessung durch Psychoanalyse und Philosophie.

Was Vorträge betrifft, so referierte Beat Dietschy unter dem Titel «Die Geburt der Utopie aus dem Geist der Alpen» aus breiter Sachkenntnis über die Beziehungen von Ernst Bloch zur Schweiz, in Leben und Werk. Philipp Löpfe präsentierte fundierte Thesen zum Phänomen Trump und wagte vorsichtige Prognosen, wie seine Wiederwahl verhindert werden könnte. Daran knüpfte Franziska Schutzbach mit Analysen zur Rhetorik der Rechten und deren ideologischen Bezugnahmen zu Alltagsfragen an. Rolf Bossart sprach über die verflixte Beziehung der Linken zur Religion und plädierte für eine grössere Kenntnisnahme und Offenheit; Urs Sekinger zog eine Bilanz über die internationale Solidaritätsbewegung in der Schweiz, wobei sich die Diskussion um mögliche Lehren aus der und für die Klimabewegung drehte; und Catherine Aubert skizzierte einige Probleme, die sich in binationalen Ehen ergeben und welche politisch-sozialen Forderungen sich daraus ableiten lassen.

 

Für Lesungen durften wir insbesondere einige prominente Autorinnen begrüssen. Den Jahresauftakt machte Monika Stocker, die aus Geschichten vorlas, die sich aus ihren vielfältigen Erfahrungen im Sozialbereich speisen. Isolde Schaad stellte aus ihrem neusten Buch «Giacometti hinkt» Gangarten in der modernen Stadt vor, in Texten, die doppelbödige Ironie mit liebevoller Nähe verbinden. Dagmar Schifferli vergegenwärtigt in ihrem jüngsten Werk «Wegen Wersai» lebhaft die sechziger Jahre, die bis ins Kulinarische hinein nachvollziehbar wurden. Zusammen mit dem Limmat Verlag und der Studienbibliothek zur Geschichte der Arbeiterbewegung organisierten wir eine Vernissage für das Buch «Heisse Fäuste im Kalten Krieg» von Rafael Lutz, einer Studie über den Antikommunismus in der Schweiz in den fünfziger Jahren, wobei auch einige damalige Zeitgenossen teilnahmen. Besondere Beachtung fand der Besuch von Else Laudan, die mit viel Enthusiasmus über politische Krimis generell und ihre Arbeit als Herausgeberin der bekannten «Ariadne»-Reihe im Argument-Verlag sprach und ebenso engagiert Lesetipps vermittelte.Einige Veranstaltungen hatten einen lokalen Bezug, so berichtete Monika Wicki über Robert Grimm in Oerlikon, mit vielen Dias, die bei einigen Anwesenden nostalgische Erinnerungen weckten. Eine Diskussion über Genossenschaften mit Alfons Sonderegger und Christian Häberli stellte auch die IG Grubenacker vor, die ein alternatives Konzept für die städtische Überbauung an der Thurgauerstrasse in Seebach vorschlägt.

Der bücherraum f ist ja an der Grenze zwischen Oerlikon und Seebach angesiedelt; wir haben deshalb an der Adventsfensteraktion des Quartiervereins Seebach teilgenommen, selbstverständlich mit einem säkularen Fenster, in dem rote und andere Sterne einem Stapel Bücher entspringen. Im Dezember fand auch die Wortpflanzung mit René Gisler statt: Seither steht exklusiv an der Jungstrasse 9 die «Reimgewinn» (incrementum loqui).

Dem bücherraum angeschlossen ist zudem die Forschungsstelle Dora Koster. Stefan Howald hat deren Nachlass erschlossen und präsentierte zum 2. Todestag der Zürcher Malerin und Schriftstellerin Bekanntes und Unbekanntes. Dazu las Martin Butzke eindringlich ein paar unverwechselbare Gedichte von Dora Koster; im bücherraum sind weiterhin ein paar Gemälde von ihr ausgestellt.

Ausführliche Berichte zu allen Veranstaltungen sind auf unserer Website unter blog/Aktuelles nachzulesen.

Die Erschliessung der beiden Bibliotheken geht weiter. Deren Benutzung könnte noch gesteigert werden. Wir sind dreimal in der Woche zu unterschiedlichen Zeiten geöffnet. Insbesondere für Studierende oder an einem speziellen Thema aus unseren Sammelbeständen Interessierte bieten wir vielfältige Materialien, die vor Ort gesichtet und ausgewertet werden können. Die Kataloge der beiden Bibliotheken sind online einsehbar. Berichte über einzelne Stücke aus unseren Beständen sind ebenfalls auf unserer Website nachzulesen, etwa über Afrikanische Heldinnen, Karl Kraus, Wilhelm Reich, die «frauezitig» oder jüngst über die Zeitschrift «alternative».

Bücher kann man nie genug haben. Wenn die Büchergestelle voll sind, empfiehlt es sich, die bisherigen Bestände teilweise auszutauschen. Mittel dazu finden sich in unserem Doublettenverkauf. Für 3 bzw. 5 Franken stehen mittlerweile rund 500 Titel zur Auswahl, siehe https://www.buecherraumf.ch/doubletten.php.

Unsere gediegenen Werbeauftritte besorgt weiterhin die Grafikerin Helen Ebert. Der bücherraum f wurde 2019 in grösseren Artikeln im BOA-Info, in der Lokalzeitung Zürich Nord sowie im Info der Studienbibliothek vorgestellt. Verdankenswerterweise hat uns in diesem Jahr die max-bill-georges-vantongerloo-stiftung mit einem namhaften Beitrag unterstützt. Dazu zählen wir weiterhin auf unsere MäzenInnen und Mitglieder sowie auf Spenden und Kollekten.

Wir bemühen uns auch im kommenden Jahr, für unterschiedliche Geschmäcker etwas zu bieten; das Unterhaltende mit dem Lehrreichen zu verbinden, mit einer feministischen und fortschrittlichen Perspektive, wie es dem f im bücherraum f entspricht.

Stefan Howald

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