Schmerzlich

Natürlich ist das auch ein Angedenken an Badoux, der uns vor drei Wochen so plötzlich und schmerzlich entrissen worden ist.

badoux1Denn er gehörte ja in diese jahrzehntelange Tradition, sich in den Wintermonaten jeweils Freitagabends in der Turnhalle an der Bullingerstrasse herzhaft abzumühen. Wie hätte das aufgegeben werden können? St. hatte sich im Sommer neue Tausendfüssler gekauft, in einem Fachgeschäft, die junge Verkäuferin, tätowiert, halb geschorener Kopf, hatte ihn fachkundig beraten und gemeint, als er nach kurzem Zögern die eindeutig besseren Schuhe wählte, das habe sie sich gedacht, dass er sich so entscheide, was ihm erst nachher als zwiespältiges Kompliment erschienen war, da die Schuhe natürlich auch teurer waren, und als sie ihn fragte, ob er denn noch als Schiedsrichter tätig sei, versicherte er ihr scherzhaft indigniert – oder indigniert scherzhaft –, die Bemerkung fasse er schon beinahe als Beleidigung auf, da sie ihm offenbar nicht mehr zutraue, selbst mitzuspielen, was sie nur halbwegs überzeugend konterte, indem sie entgegnete, auch Schiedsrichter müssten ja viel laufen.

Item, als er sich am vergangenen Freitag bereit machen wollte, bemerkte er, dass er gar keine Turnschuhe mehr für die Halle besass und solche also während den so bequemen obwohl aus gewerkschaftlichen wie gesellschaftspolitischen Gründen fragwürdigen späten Ladenöffnungszeiten erwerben musste, diesmal eine billige Variante, obwohl erstaunlich gut. Wie nostalgisch rührte es an, wieder einmal um das Gebäude herumzuirren, um den Hintereingang zu finden. Und sofort darauf hingewiesen zu werden, dass schwarze Turnschuhe mit schwarzen Sohlen nicht erlaubt seien; aber das hatte St. schon geahnt und darauf geachtet, dass die Turnschuhe graue Sohlen aufwiesen.

Wenn einem, da man erwachsen in das Dorf der Kindheit zurückkehrt, alles klein erscheinen mag, so mag einem, wenn man in noch reiferem Alter an den Ort früherer Untaten zurückkehrt, der Fenstersims auf der einen Hallenseite, auf den man sich während der Spielpausen setzen sollte, plötzlich unendlich hoch erscheinen. Item, zwölf Spieler waren erschienen, wie abgezählt für drei Teams, die sich ständig wechselnd sechs Minuten lang gegenüberstanden. Sechs Minuten. Wie kurz, und wie lang. Diese Subjektivität des Zeitempfindens. Im ersten Team, nennen wir es 1, dirigierte A. wie gewohnt umsichtig, T. hatte nichts von seiner plötzlichen Beschleunigung eingebüsst,  J. blieb jederzeit die Ruhe selbst und D. vorne wie hinten unentbehrlich. Auf der Gegenseite, bei 2, verteidigte C. so imposant wie immer, war Sä. kompromisslos im Vorwärtsgang, riss K. die Räume auf und wühlte Adr. unermüdlich. Im Team 3 standen Sil., kampfstark, hartnäckig, M. unerschütterlich im Tor und F., jung, dynamisch und ballsicher wie eh. Dazu dann halt St. Man könnte jetzt – copy/paste – aus alten Berichten zitieren, wonach ihm das forward pressing in der Halle auf ewig ein Rätsel bleiben wird, also irrte er erneut, mit zunehmend schwerer werdendem Schritt, hin und her, her und hin – wie ein Weberschiffchen, hätte eine entsprechende Metapher (beziehungsweise ein Vergleich) früher gelautet, jetzt wohl eher wie ein binärer Code, der sich in den Echokammern eines Algorithmus verirrt hat –, bot sich, zunehmend ermüdet, vorne rochierend an, hetzte, zunehmend ermattet, den von M. hoffnungsfroh nach vorne gedroschenen Bällen hinterher.

Alle Spiele waren, wie es so schön heisst, hart umkämpft, zumeist entschied ein Tor, oder dann fand sich gerade noch Zeit für den ehrenhaften Ausgleich. Diese Subjektivität des Zeitempfindens. Ein ohne Gewähr gegebener Überblick liesse vermuten, dass Team 2 den Abend mit neun Punkten beendete, Team 1 mit sieben und Team 3 mit unglaublichen acht. St. hatte zwei, drei Mal Pech mit einem Pfostenschuss und knapp verpassten Abschlüssen, wobei man auch hier wieder – copy/paste – darauf hinweisen könnten, dass man erst mal am richtigen Ort stehen muss, um Chancen versieben zu können. Aber Tore für sein Team erzielten doch die andern, F., und Sil., der etwa einen Strafstoss souverän verwandelte, dazu A. von Team 1, der den Ball souverän ins eigene Tor schob, wobei man diesen Siegtreffer doch zu mindestens 68 Prozent St. zugute halten darf, der, schleppenden Schritts, das forward pressing betrieben hatte.

badoux2Im allerletzten Spiel wuchs dann Team 1 über sich hinaus, kanterte Team 2 mit 4:2 nieder, wobei D. beinahe (oder wirklich?) einen Hattrick erzielte; danach war dann abrupt Schluss und begann das Leiden der gestressten Muskeln im Alltag.

Natürlich ist das auch ein Angedenken an Badoux, der uns vor drei Wochen so plötzlich und schmerzlich entrissen worden ist.

 

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