Aufruhr im Äther

Gegen Einheitsbrei und Monopole: Mitte der 1970er-Jahre klangen plötzlich hunderte von PiratInnensender frisch und alternativ in den Ohren. Woher kamen sie, wie und warum enterten sie den Äther? Lässt sich daraus etwas fürs Internet-Zeitalter lernen? Die Historikerin Anne-Christine Schindler nahm im bücherraum f auf einen Streifzug durch die Sound-Archive der Zürcher Radiopirat:innen mit, organisiert von der Studienbibliothek zur Geschichte der Arbeiterbewegung.

Anke Schindlers Vortrag mit vielen Originaleinspielungen ist hier nachzuhören:

Die Masterarbeit von Anne-Christine Schindler trägt den Titel: «Zürcher Radiopirat:innen zwischen Medien- und Kulturpolitik, 1976-1983. Eine Soundgeschichte». Die meisten Tonaufnahmen stammen aus der Datenbank Bild + Ton des Schweizerischen Sozialarchivs, siehe www.sozialarchiv.ch/archiv/recherche/datenbank-bild-ton/

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Anarchie und Politpunk

Bücherräumereien XLIV

Was von uns auch bleibt: Bücher. Tomi Geiger, letztes Jahr viel zu früh verstorben, hat sie in Überfülle besessen, als Buchhändler&Verleger. Und als Leser, selbstverständlich.

Einige davon dürfen jetzt in die Politisch-Philosophische Bibliothek im bücherraum f umziehen. Zwei Themen stechen hervor und interessieren besonders: Anarchismus und Dada. Vielleicht ist das auch nur ein Thema.

Das zeigt sich gleich beim ersten übernommenen Titel, Erich Mühsams «Ascona. Eine Broschüre», mit dem berühmt-berüchtigten Titelbild des nackten Erich bei der Gartenarbeit auf dem Monte Verità. Die Broschüre gesellt sich vorzüglich zu dem schon im bücherraum stehenden Erzählband «Dada, Ascona» von Friedrich Glauser. Die Verlagsgeschichte des Mühsam-Bändchens ist ein bisschen verwirrlich. Bei der vorliegenden Ausgabe handelt es sich um einen fotomechanischen Nachdruck durch den Verlag Klaus Guhl, Berlin, und zwar in zweiter Auflage. Ohne Erscheinungsjahr. Was sich freilich anderweitig eruieren lässt: 1978. Ursprünglich ist der Band, wie getreulich vermerkt wird, im Verlag von Birger Carlson in Locarno erschienen, ebenfalls ohne Jahreszahl, die sich ebenfalls anderweitig identifizieren lässt: 1905.

Mehrfach vertreten ist der Anarchoökologe Murray Bookchin, etwa mit «Hierarchie und Herrschaft», dazu stehen etliche Bände von Max Nettlau nebeneinander. Der Österreicher Nettlau (1865-1944) war vor allem Bibliomane, Archivar, Bibliograf, mit einer riesigen Sammlung von und umfassendem Wissen über anarchistische Publikationen, und als Dokumentalist des Anarchismus hat er unzählige Artikel über seine Funde und seine entsprechenden Einschätzungen geschrieben. Diese kleineren Arbeiten sind teilweise nur in abgelegenen Zeitschriften oder als Broschüren in Kleinstauflagen erschienen, seit den 1970er-Jahren erneut in abgelegenen Zeitschriften nachgedruckt worden oder vergessen gegangen; manche Manuskripte liegen noch ungedruckt im Nachlass im Internationalen Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam: wahrlich ein zerstreutes Werk.

Liechtenstein und Amsterdam

Nettlaus grosses Hauptwerk war allerdings die «Geschichte der Anarchie», ab 1925 veröffentlicht, auf sieben Bände angelegt, von denen zu Lebzeiten nur drei im Syndikalist-Verlag erschienen sind. Um 1980 wurden die ersten Bände vom Bremer Impuls-Verlag nachgedruckt (ohne Verlagsjahr); etwa zur gleichen Zeit wurden die Bände IV und V als Raubdruck sowie ein «Ergänzungsband» publiziert, vom Topos Verlag in Ruggell/Liechtenstein, der laut Website auf den Nachdruck von Werken spezialisiert ist, deren Copyright vermutlich abgelaufen ist; mit politischer Schlagseite, da sich auch Erich Mühsam, Rudolf Rocker und andere Anarchisten im Programm finden, zu ziemlich saftigen Preisen (Liechtenstein!). Die im Manuskript vorliegenden Bände VI und VII von Nettlau sind weiterhin unveröffentlicht. Seit 2020 hat sich ein Team die Herausgabe aller Bände zur Aufgabe gemacht, und zwar sowohl in gedruckter Form wie auch Online – das wird in einer gediegenen Website aufbereitet, siehe https://www.geschichte-der-anarchie.de/ Als Trägerschaft treten das Amsterdamer Institut sowie der Libertad-Verlag in Potsdam auf, der die libertäre Zeitschrift espero herausgibt.

Tatsächlich, Nettlaus «Geschichte des Anarchismus» ist in historischer Hinsicht unverzichtbar. Im Übrigen bemerkenswert geschrieben. Obwohl viel bibliografisch aufgelistet wird, liest sich das erstaunlich flüssig, und zugleich sehr subjektiv, mit unverblümten Wertungen zur Sekundärliteratur und Eingeständnissen, wenn Nettlau etwas (noch) nicht gelesen hat.

Zwischen den ersten Bänden der «Geschichte» veröffentlichte Nettlau, 1927, das Buch «Eugenik der Anarchie: Texte zu Geschichte und Theorie des Anarchismus». Der zeitgenössische Begriff der Eugenik unheiligen Angedenkens irritiert ein wenig. Nettlau skizziert damit seine Einschätzung des gegenwärtigen Anarchismus, was zugleich eine Absichtserklärung fürs Buch bedeutet: «Der gesunde Keim ist da, aber auch der gesündeste Keim bedarf günstiger Entwicklungsverhältnisse und diese, die Eugenetik der Anarchie also, zu schaffen, kann durch diese Skizze gewiss nicht erreicht werden, sollte aber durch sie wenigstens angeregt und zur Diskussion gestellt werden.» Man kann nur hoffen, dass er das nicht wirklich so biologistisch verstanden hat wie es sich von heute aus anhört. Die vorliegende Ausgabe ist übrigens die Neuausgabe durch einen weiteren kleinen Verlag, Büchse der Pandora, und zwar von 1987.

 

England und Spanien

Im ersten Band von Nettlaus «Geschichte der Anarchie» mit dem Titel «Der Vorfrühling der Anarchie» findet sich ein ganzes Kapitel, das IX., über William Godwin. Für Nettlau gehörte der noch selbstverständlich zum linken Bildungsgut, «Godwins Leben ist bekannt genug», schreibt er einleitend und nennt dann einige Aufsätze um 1900, die sich unter verschiedenen Aspekten mit dem englischen politischen Denker beschäftigen. Mittlerweile ist Godwin (1756-1836), zumindest im deutschsprachigen Raum, vergessen. Oder in den Schatten gestellt, für einmal ein Mann durch Frauen: Durch seine Ehefrau Mary Wollstonecraft, Verfasserin der protofeministischen Schrift «A Vindication of the Rights of Woman», und durch seine Tochter Mary Shelley, Schöpferin des «Frankenstein». Für Nettlau aber gilt Godwin als Verfasser des «ersten grundlegenden anarchistischen Werks». Und er belegt das mit verschiedenen Zitaten von Godwin, wonach «alle Regierung notwendig unserer Vervollkommnung entgegenwirke», die – gewaltlosen – Revolutionen als «allgemeine Erleuchtung» den gesellschaftlichen Fortschritt vorantrieben und man den Staatsapparat zu kleinen autonomen Entscheidungsinstitutionen umbauen müsse, die schliesslich auch entfielen, bis jede Angelegenheit von den Betroffenen von Fall zu Fall geregelt werde.

Was Nettlau noch nicht bearbeiten konnte und wo der Anarchismus zur Praxis wurde, war Spanien ab 1936, in der dortigen revolutionären Republik, die dann von den faschistischen Kräften im Bürgerkrieg 1939 zerschlagen wurde. Dazu steht nun im bücherraum ein kleiner Band, quadratisch im Format: «The Spanish Revolution 1936». Das Cover eignet sich das Signet der anarchistischen Bewegung an und nennt deren Protagonisten: die CNT, Konföderation anarchosyndikalistischer Gewerkschaften, und die FAI, Iberische Anarchistische Föderation, der parteimässige oder militante revolutionäre Arm der Gewerkschaften, in dessen Namen gelegentlich auch Attentate verübt wurden. Der Band enthält schöne, heroische Fotografien aus dem CNT-Archiv, das sich wiederum in Amsterdam befindet. Etwa eine Aufnahme von lesenden Soldaten in einer Bibliothek hinter der Front. Versehen mit zweisprachigem Text, englisch und holländisch. Ja, holländisch. Tatsächlich ist das Buch in Holland erschienen, 1986. Es fühlt sich etwas steif, ungelenk an, doch dann findet sich bei genauerer Untersuchung vorne und hinten im Kartonumschlag je eine Schallplatte, Singles, muss ich einem jüngeren Nachhilfeschüler erklären: eine Platte mit einem Lied pro Seite, je eine A- und B-Seite. Auf den Computer übertragen, tönt Politpunk von 1986 aus Holland aus den Lautsprechern. Und zwar von der Gruppe The Ex, 1979 gegründet und offenbar immer noch politisch-musikalisch unterwegs. Die vier Lieder sind spanisch und englisch gesungen, holländisch hätte wohl nicht den selben anarchistisch internationalen Groove.

Obwohl, hatte ich gedacht, es eine Tradition holländischen Anarchismus gibt, nicht gerade als politische Bewegung, aber durch verschiedene TheoretikerInnen. Henriette Roland Holst war mir begegnet, in späteren Jahren als religiöse Sozialistin aktiv, auch Hermann Gorter war mir vage in Erinnerung. Aber beim Nachforschen hat sich herausgestellt, dass beide eher linkskommunistischen Strömungen zuzurechnen waren, eine falsche politische Zuordnung meinerseits, die dem unverbrüchlich anarchischen Tomi nicht gepasst hätte.

Ebenfalls zu Spanien findet sich ein Band von Augustin Souchy: «Anarchosyndikalisten über Bürgerkrieg und Revolution in Spanien». Erstmals ist der Band erschienen unter dem Titel «Nacht über Spanien» im Verlag Die freie Gesellschaft, Darmstadt-Land, wieder mal ohne Erscheinungsjahr. Ja, Zeit ist für AnarchistInnen ein Disziplinierungsinstrument. Hier liegt der Band in einer Neuauflage des März-Verlags von 1969 vor. Souchy spricht über die spanischen Freiheitskriege der Vergangenheit, und er stellt eine Tradition her, die auf den Befreiungskampf gegen die napoleonische Besatzung zurückgehe, während dem Guerillataktiken erprobt worden seien. Das wiederum wird, um einen anderen Faden aufzunehmen, in einem Roman des schottischen Schriftstellers Stuart Hood ebenfalls thematisiert, «Das Buch Judith», 2020 bei der edition 8 in Zürich erschienen. Hoods Roman verbindet in einer Art Rahmenhandlung gleichenfalls drei Zeiten und Ebenen von spanischen Freiheitskriegen, eben die Befreiungskriege gegen Napoleon – allerdings von liberal-nationalistischen Kräften instrumentalisiert –, den Bürgerkrieg 1936-39 und den Kampf gegen Franco 1975, als der Diktator und sein Regime in den letzten Zügen liegen. Ich kann das Buch nur empfehlen, und dies nicht nur, weil ich es übersetzt habe.

Schliesslich, die Schweiz

So setzen sich die Entdeckungen und Lektüren fort, aber ein Fund sei noch erwähnt. Einem Bändchen von Tristan Tzara, «7 DADA Manifeste», herausgegeben in der edition Nautilus, 1978 in der zweiten Auflage, findet sich ein vervielfältigtes Schreiben beigelegt. «Aufruf zur TELEBUEHNE ʼAntigoneʼ vom 2. Juli 1980» heisst es zu oberst; und die Lesenden werden aufgefordert, per Brief die Frage zu beantworten «Ist Widerstand gegen die Staatsgewalt berechtigt – und wann?», und wer, wird nachgeschoben, Interesse an einer Teilnahme an der Sendung habe, solle dies auf dem Brief vermerken. Datiert ist das hektografierte Blatt vom 2.6.1980 und unterschrieben vom Produzenten der Telebühne, Max P. Ammann. Jene Telebühne aber ist längst in die Annalen der Schweizer Polit- und Mediengeschichte eingegangen, weil sie die erste Live-Sendung war, die, unter der Leitung des späteren Fernsehdirektors Andreas Blum, abgebrochen wurde, da Mitglieder der Zürcher «Bewegung» die freundliche Einladung gerne angenommen hatten und die ganze Sendung durch allerlei Aktionen durcheinander brachten. Das Blatt scheint echt zu sein, aber vielleicht ist es auch eine nachträgliche Vor-Rekonstruktion, denn wer weiss das schon, wenn Dada und Politik aufeinander treffen, so wie es auch bei Peter Weiss geschehen ist – aber das ist dann wieder eine andere Geschichte.

Stefan Howald

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Wo das Böse steckt

Sechs Bücher hatte der Schriftsteller Jürgmeier mitgenommen, um sie im bücherraum f vorzustellen – es reichte dann angesichts des lebhaften Publikumsgesprächs nur für vier. Hannah Arendts “Eichmann in Jerusalem” hat besondere Bedeutung gewonnen; einerseits wegen der Debatte um die Banalität des Bösen, aber vor allem wegen der dringlichen Frage, wie weit Kritik an Israel gehen darf (oder muss). Auch die übrigen Bücher schnitten durch aktuelle Debatten hindurch, etwa um race und gender, oder um die Funktion der Schule. Der workshop lässt sich hier nachhören.

Folgende Bücher wurden besprochen

– Manès Sperber: Wie eine Träne im Ozean. Romantrilogie. Französische Originalausgabe 1949-1952, deutsche Erstausgabe 1961. Antiquarisch als dtv-Taschenbuch erhältlich.

– A.S. Neill: theorie und praxis der antiautoritären Erziehung. das beispiel summerhill.  Englische Originalausgabe 1960, deutsche Erstausgabe 1965. Jetzt lieferbar als Rowohlt Taschenbuch, 51. Auflage der Ausgabe von 1994.

– Hannah Arendt: Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen. Englische Originalausgabe 1963, deutsche Erstausgabe 1964. Jetzt lieferbar als Piper Taschenbuch, 2022.

– Mithu Sanjal: Identitty. Hanser Verlag, 2021.

 

Natürlich sind alle diese Bücher auch im bücherraum f zu lesen.

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Abendliche Büchersuche in Oerlikon

Am Donnerstag Abend um halb sechs, vor einer Veranstaltung im bücherraum, noch schnell zum Grossverteiler geeilt, dessen genossenschaftliche Ursprünge kaum mehr sicht- und fühlbar sind, und kurz vor der Tür von einem Paar angehalten, was zum üblichen Zögern führte, ob es wohl um Geld gehe, aber es schien doch ein eher gesetztes Paar (welch soziales Vorurteil!), und sie fragten, ob ich wüsste, wo der bücherraum f zu finden sei. Ebenso überrascht wie erfreut beschrieb ich den Weg und fügte an, eben dieser bücherraum sei auch mein Ziel; wenn sie eine Viertelstunde warten könnten, zum Beispiel im Café des Grossverteilers, dann würde ich den Weg gleich mit ihnen beschreiten. In den Vorschlag willigten sie geradezu enthusiastisch ein und gaben mir eine Viertelstunde für meine Einkäufe, was mich doch ein wenig unter Druck setzte, vor allem, weil ich den Bio-Zitronenpfeffer erst nach längerem, zweimaligem Mustern der ganzen Gewürzregale entdeckte; ich hatte trotzdem, schien mir, die gesetzte Frist knapp eingehalten, auch, weil angesichts der sich stauenden KundInnen gerade eine neue Kasse geöffnet worden war, so dass ich meine Warteschlange verlassen und mich an erster Stelle bei der neuen Kasse hatte einreihen können; doch sah ich die beiden mich bei der Drehtür bereits erwartungsvoll erwarten, wobei eine Erwartung zumeist erwartungsvoll ist.

Jedenfalls machten wir uns bei glücklicherweise beendetem Regen auf, und sie erzählten mir ungefragt, dass sie etwa zehn Leute nach dem bücherraum gefragt hatten, aber die meisten hätten nur verständnislos den Kopf geschüttelt, wobei der Mann, etwas tröstend, wie mir schien, beifügte, manche hätten beim Kopfschütteln nicht einmal die Ohrstöpsel aus dem Ohr genommen. Jedenfalls war ich ihnen, in der Adventszeit, geradezu wie ein rettender, säkularer, Engel erschienen. Wie sie denn überhaupt vom bücherraum gehört hatten, wollte ich jetzt wissen. Die Frau hatte, offenbar durch das Programmheft von «Zürich liest» aufmerksam geworden, schon die Lesung von Isolde Schaad besucht, aber das war am Vormittag gewesen, und in der Nacht, in der philosophisch gesprochen alle Katzen grau sind, hatte sie die Lokalität nicht mehr gefunden, was ich ihr nicht verargen konnte. Der Mann hinwiederum war von einem Bekannten nachdrücklich auf uns hingewiesen worden, Attilio B., der tatsächlich bei uns schon beinahe Stammgast ist. Ob denn der Raum immer offen sei, wollten sie wissen, was ich korrigieren musste, aber die Angabe, wir seien nur an zwei Tagen offen, versüsste ich mit dem Hinweis, dass sie heute Abend zusätzlich in den Genuss einer Veranstaltung kämen.

Da trafen wir schon im bücherraum ein, der bereits ordentlich für die kommende Veranstaltung hergerichtet war; und die beiden flanierten müssig aber interessiert durch die beiden Bibliotheken, der Mann begutachte selbst die Doubletten, ohne allerdings fündig zu werden, oder fündig werden zu wollen. Zur Veranstaltung wollte das Paar dann freilich, für einen längeren Aufenthalt nicht vorbereitet, nicht bleiben, doch hinterliessen sie ihre E-Mail-Adressen. Der Name des Mannes, Biologe, Wissenschaftsjournalist, schien mir halbwegs bekannt, und eine kurze Suche auf der grössten basisdemokratischen Allmend ergab, dass er vor gut zwanzig Jahren die Initiative «HOFgesang» gegründet hatte, in der alle zwei, gerade, Jahre Chöre in Hinterhöfen singen, um deren soziales und städtebauliches Potential zu erwecken. Die Website ist nicht ganz auf dem neusten Stand und vermittelt den Eindruck, das Unterfangen sei nur bis 2012 durchgeführt, was aber keineswegs stimmt; tatsächlich wird im geraden Jahr 2024 wiederum ein Hinterhofsingen durchgeführt, und zwar am 8. Mai bis 9. Juni. Der Hinterhof des bücherraums könnte ja ein wenig Belebung durchaus vertragen.

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Scharfe Melancholie

Zuweilen gilt es, innezuhalten und dem Schweigen der Agenda zu lauschen. Isolde Schaad führt das in ihrem neusten Erzählband vor. Ein Umbruch, eine Verunsicherung, ein Aufhören vollzieht sich in allen Texten. Was macht ein Schriftsteller, wenn er im hohen Alter nicht mehr schreiben will? Wer verfügt über die Erinnerung an eine verstorbene Freundin? Wie kann die verheimlichte, oder abgebrochene, Vergangenheit einer Mutter rekonstruiert werden? Sichtbar werden scharfe Lebensentwürfe, gelegentlich satirisch, zumeist von Altersgelassenheit überzogen: Denn auch Melancholie gehört zum Leben.

Isolde Schaad trat kürzlich im Rahmen von “Zürich liest” im voll gepackten bücherraum f auf und begeisterte ihr Publikum.

Die Lesung samt Diskussion über den Zustand des Kulturbetriebs lässt sich hier nachhören:

Isolde Schaad: Das Schweigen der Agenda. Geschichten vom Innehalten und Aufhören. Limmat Verlag, Zürich 2023. 160 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag. 30 Franken.

 

 

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